Ein Beitrag von Kerstin Liesching
Focusing im Alltag
Meine Patentochter hat vor 7 Monaten Zwillinge bekommen. Die beiden großen Brüder sind 6 und 9 Jahre alt. Besonders mit dem 9-jährigen verbindet mich eine enge Beziehung seit Babyzeiten.
Er ist ein äußerst feinfühliges, kluges, sehr auf Sicherheit bedachtes Kind. Er bleibt gerne für sich und ist mathematisch sehr interessiert. Auch braucht er klare Rituale und hat einige Zwänge entwickelt.
Durch die Zwillinge ist sein Leben nun etwas durcheinandergebracht.
Er liebt die beiden jedoch sehr, legt sich häufig zu Ihnen zu seiner Erholung und kümmert sich fürsorglich um sie, wenn etwas ist.
Nun kam ich zu Besuch, wir beide hatten mit dem mittleren Bruder schon zusammen ein Spiel gespielt und danach ergab es sich, dass ich eine Weile mit den Zwillingen alleine war und mich intensiv mit ihnen beschäftigte.
Wir wollten im Anschluss einen Ausflug machen, die Mutter und die „Großen“ packten dafür Sachen ein.
Auf einmal bemerkte ich, dass Tim* im Flur, wo gepackt wurde, vor der Tür des Zimmers, in dem wir uns befanden, gekrümmt auf dem Boden lag.
Er habe Bauchweh war seine Antwort, als ich ihn darauf ansprach, deshalb liege er da.
Ich war kurz verunsichert, was zu tun sei.
Ob ich mit meiner Hand eine kleine Wärmflasche für sein Bauchweh sein dürfe, fragte ich.
Ich durfte und wir überlegten dabei, wie es seinem Bauchweh geht.
Das Bauchweh mochte die „Wärmflasche“, also blieben wir dabei.
Ich schlug vor, das Bauchweh hier im Warmen zu lassen und unseren Ausflug, ohne es zu machen.
„Mmmm“, das konnte er sich nicht so recht vorstellen.
Wir redeten so dies und das, während meine Hand weiterhin auf dem Bauch lag.
Was das Bauchweh gerne essen mag ..., wie es wohl aussähe …, (das fand er äußerst amüsant) und wie blöd, dass es gerade jetzt zu Besuch gekommen war, wo wir doch einen Ausflug planten.
„Ja, …... das weiß was“, sagte Tim.
„Das ist ja ein echter Oberschlauer“
Er kicherte. „Ja“……..Pause ……
Dann sagte er plötzlich ganz ernst:
„Das Bauchweh merkt, dass was nicht stimmt!“ -
Dicker Atemzug.
„Und jetzt kriegt es auch noch Luft dazu“, sagte ich,
was wiederum einen heftigen Kicheranfall bei ihm auslöste, der auch mich ansteckte.
Wir kabbelten noch eine Weile herum, mit den Zwillingen, die inzwischen zu uns gekrabbelt waren.
Das Bauchweh hatte sich verzogen. Was es unstimmiges bemerkt hat, habe ich nicht erfahren. Es war auch nicht wichtig in dem Moment.
Für mich war es wunderschön und für mich selbst überraschend mitzuerleben, wie einfach und selbstverständlich sich da „aus dem Nichts“ ein Focusingprozess entwickelt hatte.
So ganz absichtslos und von alleine.
Wieder ein Dank an meine Focusingausbildung. - Alltagstauglich ist sie.
*Name geändert
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